Verbindung aufbauen

Mit der Mehrheitsbeteiligung am britischen Telematik­spezialisten Axscend stärkt SAF-HOLLAND seine Digitalkompetenz. Das von Gründer Tim Steer und seinen Experten entwickelte System sendet wichtige Trailerdaten – etwa zu Bremsen, Beleuchtung und Reifen – an eine App und informiert Flottenmanager in Echtzeit über den ­Zustand ihres Fuhrparks.

Ein kleiner Computer in einer Box aus Polycarbonat ist das Herzstück des TrailerMaster-Systems von Axscend. Über den CAN-Bus ist der Mikroprozessor mit der Zugmaschine verbunden und kann dadurch auf die Daten aus dem elektronischen Bremssystem zugreifen. Sensoren erfassen weitere Parameter, wie beispielsweise den ­Neigungswinkel der Straße. Ein GPS-­Empfänger meldet den Standort des Trailers, während eine GSM-­Schnitt­stelle die Daten an die Netzwerk­­infra­struktur von Axscend sendet. Das Gerät nutzt auch kurzwellige Funktechnologie (ISM) und Bluetooth.

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Manchmal ist es der Forscherdrang, der das Erfindertum fördert, manchmal der Zufall. In anderen Fällen sind es aber auch ganz unspektakuläre Dinge. Als Tim Steer im Jahr 2006 im Nordwesten Englands in einem kleinen Ort namens Folkestone an seiner Erfindung tüftelte, sorgten Trailerbremsen für hohen Aufwand in der Transportbranche. „Die Vorschriften zur Messung der Bremsleistung von Trailern sind im Vereinigten Königreich sehr streng gefasst“, berichtet Tim Steer, Gründer und CEO des Digitalunternehmens Axscend. Die Fuhrparkbetreiber müssen mit den Verkehrsbehörden regelmäßige Kontrollen vereinbaren, die sich unter anderem nach dem Alter der Flotte, dem jeweiligen Fahrprofil und der bisherigen Einhaltung der Bestimmungen durch den Betreiber richten. „Im Schnitt führt das dazu, dass ­jeder Trailer alle zehn Wochen in die Werkstatt auf den Rollenprüfstand muss, um die Bremsleistung zu messen“, schätzt Steer. „Wenn man dann an große Flotten mit mehreren Tausend Trailern denkt, dann bedeutet das einen erheblichen Aufwand und hohe Kosten.“

Steer erkannte das Potenzial für mehr Effizienz. Seine Idee bestand darin, die Daten aus dem Trailer in einer App zusammenzuführen und dadurch die Werkstattaufenthalte auf dem Prüfstand überflüssig zu machen. „Es gab bereits unterschiedliche elektronische Komponenten, die Daten erfassen, etwa GPS-Tracker und Reifendruck-Kontrollsysteme“, berichtet Steer. „Diese Komponenten wollten wir in einem System zusammenfassen und mit zusätzlichen Funktionen anreichern – nicht nur mit der Überwachung der Bremsleistung, sondern beispielsweise auch, um den Gesamtzustand von Bremsen oder Beleuchtung zu erfassen.“ Digitale Methoden, um Werkstattaufenthalte zu vermeiden und Kosten für Flottenbetreiber zu senken – dieser Ansatz überzeugte auch SAF-HOLLAND. Im Juli 2018 übernahm das Unternehmen die Mehrheit an dem Spezialisten für digitales Trailermanagement, der in Kürze nach Runcorn in Cheshire umziehen wird. Eine Option auf den Erwerb der noch ausstehenden Anteile ist vereinbart.

Um die Bremsleistung eines Trailers zu bewerten, ohne sich auf einem Rollenprüfstand zu befinden, müssen zahlreiche Daten in Echtzeit erfasst und ausgewertet werden. Das TrailerMaster-­System von Axscend vergleicht dazu zunächst die per Brems­pedal angeforderte Verzögerung mit dem Luftdruck an den Aktuatoren der Trailerbremsen. Ausgewertet werden die Daten in einer kleinen Box, die am Chassis des Anhängers oder Aufliegers befestigt ist und die über den CAN-Bus mit dem elektronischen Bremssystem in Verbindung steht. Auf Grundlage der Rad­geschwindigkeit vor und nach dem Bremseingriff berechnet das System die tatsächliche Verzögerung. Von den Luftfedern erhält es außerdem aktuelle Daten zum Beladungszustand. Wichtig für die Berechnung der Bremsleistung ist darüber hinaus auch der Neigungswinkel der Straße, der mit Hilfe eines patentierten Sensorsystems erfasst wird. Ein Algorithmus ermittelt aus all diesen Daten die Abweichung der Bremsleistung vom Fahrerwunsch.

Die Ergebnisse werden dann per Mobilfunk in ­einer App angezeigt. „Damit Fuhrparkbetreiber und Flottenmanager jederzeit einen schnellen Überblick haben, zeigen wir die Kennwerte der einzelnen Trailer mit einem Ampelsystem“, erläutert Steer. „Unterschreitet die Bremsleistung den behördlich festgelegten Wert, dann springt die Ampel auf Rot.“ In der App sind auch weitere wichtige Kennzahlen der Trailerflotte zu sehen, etwa der Standort des jeweiligen Trailers, der Verschleißstatus der Bremsen, der Luftdruck der Reifen, der Zustand der Beleuchtung und das aktuelle Wartungsintervall.

„Fehler am Trailer beheben, lange bevor sie Probleme verursachen“Tim Steer, CEO Axscend
Das TrailerMaster-System bewertet auch die Bremsleistung eines Trailers – ohne dass dieser auf den Prüfstand oder in die Werkstatt muss
Tim Steer (im Bild rechts), Gründer von Axscend, im Interview

„In Zukunft wollen wir die Marktpräsenz von SAF-HOLLAND nutzen, um unser System für weitere Kundenanforderungen in Europa und, im nächsten Schritt, weltweit verfügbar zu machen und weiterzuentwickeln“, kündigt Steer an. Denn digitale Systeme wie TrailerMaster können nach seiner Überzeugung nicht nur dabei helfen, die gesetzlichen Prüfbestimmungen einzuhalten. Sie können auch unerwartete Fehler vermeiden, bevor sie ­entstehen. Und sie sind die Unterstützung für autonomer werdendes Fahren. Denn wenn kein Fahrer mehr da ist, um etwa den Reifendruck am Trailer zu kontrollieren, dann ­müssen das eben vernetzte Systeme tun.

Interview mit
Tim Steer

Wie kamen Sie auf die Idee, das TrailerMaster-System zu entwickeln?

Tim Steer: Damals wurde begonnen, Trailer mit einer Vielzahl von einzelnen Technologien auszustatten. Elektronische Bremssysteme bereiteten den Weg für die Einführung einer permanenten Stromversorgung des Trailers, was die grundlegen­de Voraussetzung für diese Technologien war. ­Unsere Idee lag darin, die einzelnen Lösungen in einem einzigen System zusammenzuführen. Darauf aufbauend ließen sich neue Funktionen hinzufügen. Wir haben das System dann immer weiter weiterentwickelt auf Basis von neuen Technolo­gien und den Anforderungen des Markts.

Welche einzelnen Technologien sind das genau?

Tim Steer: Zum Beispiel die Kontrolle des Reifenluftdrucks oder die Ortung von Trailern mit Hilfe von GPS-Sendern. Aber auch ein Assistenzsystem für die Laderampe, das mit Ultraschallsensoren ­arbeitet. Es betätigt aktiv die Bremsen, sollte sich der Trailer auf Kollisionskurs befinden. Die Berechnung der Bremsleistung kam erst später hinzu. ­Dabei war uns wichtig, die Daten nicht nur in der App zu zeigen, sondern auch mit kleinen Ampellichtern direkt am Trailer. So kann der Fahrer auf einen Blick sehen, ob der Status des Anhängers in Ordnung ist oder nicht.

Warum ist Trailermanagement für Transport­unternehmen so wichtig?

Tim Steer: Weil eine vernetzte Telematik zu mehr Effizienz beitragen kann. Schließlich sind die Transportunternehmen in einem sehr wettbewerbsintensiven Markt unterwegs und müssen große Flotten managen. Das ist nicht nur eine ­logistische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. In einem perfekten Geschäftsmodell hat man zwar immer die richtigen Vermögenswerte am richtigen Platz zur rechten Zeit. Aber in der realen Welt sieht das ja oft ganz anders aus. Da gibt es die alltäglichen Probleme, die Abläufe stören – ein Schaden am Trailer, ein nicht verfügbarer Fahrer oder ganz einfach nur ein Stau. Zu ­alledem kommen die behördlichen Auflagen hinzu, etwa die regelmäßigen Sicherheitskontrollen am Trailer. All diese Dinge stehen einem perfekten Geschäftsmodell entgegen, und deswegen ist Trailermanagement so wichtig.

Wie können Trailermanagementsysteme denn die Effizienz für Flottenbetreiber erhöhen?

Tim Steer: Diese Systeme vernetzen die Trailer in Echtzeit mit dem Flottenmanager und vermitteln wertvolles Wissen über den Zustand einer Flotte. Die Informationen an sich haben bereits einen hohen Wert. Werden sie in Echtzeit zur Verfügung gestellt, dann versetzen sie den Flottenmanager in die Lage, jedes Potenzial für mehr Effizienz zu heben und sei es auch noch so klein. Denn es ist immer besser, etwas genau zu wissen, als auf ­Erfahrungswerte zurückgreifen zu müssen. So können auch kleinere Fehler behoben werden, lange bevor sie größere Probleme verursachen. Das geht schon bei einem unzureichend aufgefüllten Reifen los. Unternehmen, die in solche Systeme investieren, demonstrieren darüber hinaus aber auch gegenüber den Behörden, dass sie die Vorschriften ernst nehmen.

Ein Blick in die Zukunft: Wie wird nach Ihrer Einschätzung der vernetzte Transport von morgen aussehen?

Tim Steer: Heute werden viele Entscheidungen in den Transportunternehmen von Menschen auf Grundlage ihrer Ausbildung und Erfahrung getroffen. Das führt meist zu validen Ergebnissen, doch das gesamte Bild kennen die Entscheider nie. So können sie an einer Stelle die Effizienz zwar er­höhen, an anderer Stelle aber möglicherweise aufgrund von Seiteneffekten senken. In Zukunft ­können solche Entscheidungen durch künstliche Intelligenz getroffen oder zumindest unterstützt werden. Dabei werden sämtliche Informationen berücksichtigt, um eine optimale Entscheidung zu treffen. Die dafür erforderlichen Daten werden Systeme wie TrailerMaster bereitstellen.